Schloß Holte-Stukenbrock. .... Tiefe Einblicke in das Gefühlsleben des tragischen und so überaus extremen Dichters und Denkers erhielten die Besucher eines eindrucksvollen Abends, der dem zu seiner Zeit verkannten Dramatiker gewidmet war. Nach Shakespeare im Jahr 2014 und Schiller im vergangenen Sommer trat die Berliner Schauspielerin Cora Chilcott diesmal in der Gestalt Kleists vor ihr interessiertes Publikum und wieder erlebten die Besucher einen besonders intensiven Abend. Aus Briefen an seine Stiefschwester und Vertraute Ulrike von Kleist, an seine Herzdame Wilhelmine von Zenge, an Freunde, an Johann Wolfgang von Goethe und sogar den preußischen König Friedrich Wilhelm III. las Cora Chilcott und zeichnete damit das Bild eines Mannes, der nervlich angeschlagen, beruflich enttäuscht, finanziell ruiniert und von einer großen Todessehnsucht getrieben wurde. ... Nicht die Kleist nachgesagte explosive, stolpernde, stotternde Sprache wählt die Mimin. Sie stellte in ihrem intensiven und ausdrucksvollen Spiel vor allem die Seelenqualen Kleists heraus, sein Hadern mit sich und der Welt. ... Cora Chilcott spickte ihr Programm mit Textauszügen aus dem "Zerbrochenen Krug" oder "Amphitryon" und stellte hier vor allem ihre schauspielerische Qualität unter Beweis. "Diesem Abend", sagte eine beeindruckte Gisela Springensguth vom Kulturkreis, "ist nichts mehr hinzuzufügen."
Karin Prignitz - Neue Westfälische 11/2018
(...) Ihm gerecht werden. Und zeigen, dass der hochsensible Dichter durchaus auch fröhliche Momente im kurzen, anstrengenden Leben hatte. Mit diesem Anspruch brachte Cora Chilcott einen Heinrich von Kleist auf die Bühne im Kunsthaus am Markt, der sein Innerstes preisgab. Mit fest gebundenem Pferdeschwanz und ebenso fester Miene zog die Berliner Schauspielerin die Originalzitate messerscharf aus den tatsächlich 230 erhaltenen Briefen Kleists. Gespickt mit kurzen, super gespielten Dia- oder Monologen aus den Dramen „Familie Schroffenstein“ (1803), „Der zerbrochene Krug“ (1808), „Amphitryon“ (1807), „Penthesilea“ (1807/08), „Das Käthchen von Heilbronn“ (1808) oder der Schrift „Gebet des Zoroaster“ (1810) hielt die zierliche gebürtige Leipzigerin den ehrgeizig gezogenen Spannungsbogen. Eine gute Stunde lang, hoch konzentriert und präsent. Bis zum versöhnlichen Abschiedsbrief, den der 34-Jährige am 21. November 1811 an seine Halbschwester Ulrike schreibt. Die berühmte Augenbinden-Szene aus dem Prinz Friedrich von Homburg (1811): "Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein!" machte am Ende jenes Bild von einem Mann rund, für den der Ruhm, den der Himmel ihm versage als „das größte der Güter der Erde“ erschienen war (Brief an Ulrike am 26. Oktober 1803). Die Zuschauer folgten dem dichten Ein-Frau-Programm aufmerksam und belohnten die hochkarätige professionelle Darbietung mit kräftigem Applaus. „Einen tiefen Eindruck“ von diesem besonderen deutschen Dichter habe die Darstellung Chilcotts hinterlassen, war zu hören. (...)
Sigrid Nordmeyer - Freies Wort - 03/2011
Die Bauernstube des Leipziger Schillerhauses in Gohlis ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Durch die Tür tritt eine zierliche Person, gekleidet nach der Männermode des späten 18. Jahrhunderts, die langen Haare straff hinterm Kopf zusammengebunden. Doch es sind nicht Schillers Worte, mit denen Cora Chilcott in den nächsten knapp neunzig Minuten brillieren wird. Es sind die seines Zeitgenossen Heinrich von Kleist, dessen Todestag sich im November zum 200. Male jährt.
"Ein schöner Tag, so wahr ich Leben atme! ..." Nicht von ungefähr eröffnet die Schauspielerin ihr Programm mit einem Zitat aus "Prinz von Homburg", dem wohl autobiografischsten aller Kleist-Dramen. Auch der Prinz ist einer, der nicht weiß, ob er leben oder sterben will, der an sich, seinen eigenen Ansprüchen und der Welt verzweifelt, obwohl er am Ende gerettet wird. Kleist wird nicht gerettet, er erschießt sich am Wannsee.
In einem beeindruckenden Kaleidoskop aus Briefen und Szenenausschnitten entwirft die in ihrer Rolle bewusst hermaphrodit wirkende Cora Chilcott das Bild dieses zerrissenen und von Ehrgeiz geplagten Genies. Sie erzählt uns von Versagungen und Hoffnungen, von Wünschen und Frustrationen. Kleists gesamte Schaffensperiode von 1801 bis zu seinem Tode wird vor uns ausgebreitet und diese chronologische Entwicklung ist spannend wie ein Krimi. Das liegt an der klugen Auswahl der Briefe und Texte und vor allem an ihrer Darbietung. Egal, ob die Chilcott die Briefe verliest, wobei sie immer den richtigen Ton trifft, ob sie mit sich selbst Dialoge spricht oder die berühmten Monologe nur anreißt - immer löst sie es schauspielerisch großartig...
Hans George - Leipziger Internet Zeitung 03/2011