Ach, meine Liebe, werft sie mir nicht vor!
Rilke und Bach
Liebesgedichte von Rainer Maria Rilke
Rilkes Übertragungen der Sonette der Louïze Labé und der Briefe der Marianna Alcoforado
Lieder, Arien und Instrumenalstücke von Johann Sebastian Bach
Rilkes Gedichte, die eine hochmusikalische Sprache sprechen, werden mit den wunderbaren Klängen eines Johann Sebastian Bachs verknüpft. Dabei finden auch die Liebesbriefe der Nonne Marianna Alcoforado und die Sonette der Louïze Labé ihre Entsprechung in der Musik. Es entsteht ein sensibles Geflecht aus Wort und Ton.
"Ja, die Stimme der Maria Alcoforado, Nonne zu Beja, ist eine der wunderbarsten, gültigsten durch die Zeiten hin -, heute wie je. Was könnte da je anders werden: der Schrei wird immer der gleiche sein." (Rilke)
Marianna Alcofodovar (1640-1723) wurde in Beja/Portugal geboren und als Kind in einem der prächtigsten und reichsten Klöster des Clarissenordens aufgenommen. Es war eine Zeit, wo sich weltliche Strömungen in den Klöstern stark geltend machten. "Marianna hat ihr Leben im Kloster bis zu ihrem sechsundzwanzigsten Jahr als »ruhig« bezeichnet...Und dann, eines Tages, geschah es, daß Marianna zusammen mit vielen von den andern Nonnen in dem großen, tiefen Gitterfenster stand. Da kam eine Schwadron Reiter von den französischen Hilfstruppen dahergeritten und an ihrer Spitze ein junger Offizier. Er sah auf, und Marianna hat es in ihrem zweiten Brief erzählt, wie in demselben Augenblick irdische Liebe in ihrer Seele entzündet wurde. Der französische Offizier war Noël Bouton, Marquis de Chamilly, ein dreißigjähriger Reiterkapitän. ..." (K. Lassen) Marianna schrieb um 1667 diese später so berühmt gewordenen Briefe an ihn.
Rilkes Übertragung erfolgte im Jahre 1913.
Louïze Labé (1524-1566) "war die Tochter eines reichen Seilers aus Lyon und heiratete mit zwanzig Jahren einen reichen Seiler; das hat ihr bald den (schmückend, bald spöttisch gebrauchten) Beinamen der belle cordeliére Lyonnaise eingetragen. Als der kleine Oktavband ihrer Werke erschien, war sie in ihrem Kreis längst eine gefeierte Frau. Sie hielt einen Salon, in dem die Gelehrten und Schöngeister der Stadt verkehrten, sie war in fremden Sprachen und Literaturen zu Hause, sie war musikalisch gebildet und man kannte ihre Gedichte. Sie wetteiferte mit den berühmtesten Frauen Italiens und warb für Frauenbildung im eigenen Land." (V. Klemperer). Die vierundzwanzig Sonette, in denen Louïze Labé eine unglückliche Liebe besingt, erschienen erstmals 1555, und bis heute hat diese französische Dichtung der Renaissance nichts von ihrem Zauber und ihrer Kraft eingebüßt.
Rilke hat die meisten Sonette 1913 in Paris übertragen.
Die Premiere dieses Programms fand am 25. April 2009 im Bachhaus Eisenach zu den "Internationalen Thüringer Bachwochen 2009" statt.
Es gibt auch einen zweiten Rilke-Abend unter dem Titel "Wie meine Träume nach dir schrein" mit Gedichten aus den Zyklen "Duineser Elegien", "Das Buch der Bilder" und "Mir zur Feier". Rilkes berühmte Verse über die Liebe, wie auch die melancholisch-schönen und tiefgehenden Wortschöpfungen über die Welt an sich, finden auch hier ihre Entsprechung in der Musik.
Informationen
Literarisch-musikalische Collage mit Cora Chilcott und
Volker Jaekel am Klavier.
Spieldauer: ca. 90 min
Idee und Konzept: Cora Chilcott
Referenzen:
Premiere: Bachhaus Eisenach "Internationale Thüringer Bachwochen", Festhalle Pirmasens, Theater Naumburg, Nikodemus-Kirche Berlin, Schlosstheater Fulda u.a.
Pressestimmen
Rilke Abend: Liebe - "oder was das war"
⨯Rilke Abend: Liebe - "oder was das war"
... Wenn Cora Chilcott am Tisch sitzt, von Kerzen beleuchtet, ist sie die Nonne Marianna Alcoforado. Man glaubt, die durchsichtige Blässe der Klosterfrau zu sehen, in ihrer Zelle, vom Schmerz zerrissen, nach der plötzlichen Abreise des Geliebten. Man hört, wie die Hoffnung schwindet, mit jedem Brief, den Mann wiederzusehen, von dem die Frau sich geliebt glaubte. Die Briefe an den französischen Offizier sprechen anfangs von Hingabe bis zur Selbstaufgabe, von der ganz großen, ewigen Liebe. Dann von Eifersucht, Verzweiflung, Selbstmitleid. Immer noch von Liebe, "für die ich jetzt mit den wunderlichsten Schmerzen zahle". Enden in der Wut und dem Zorn der Verlassenen über die eigene "Götzendienerei", nachdem "endlich die Verzauberung abgeschüttelt" ist. Und dennoch: "Nichts, als Dich weiterlieben zu dürfen, und ich wäre glücklich gewesen."
Von ganz anderem Charakter: Die Sonette der Louise Labé, auch diese Stücke aus dem 16. Jahrhundert hat Rilke übersetzt. "Bedachtsam leben macht mir Missvergnügen", hat die Französin geschrieben. Sie ist als "die schöne Seilerin von Lyon" berühmt gewesen, als außergewöhnlich gebildete Salondame. Und als eine Frau, die nicht der Meinung war, ihr Platz sei am heimischen Handarbeitstisch. Und noch weniger der Meinung, es schicke sich nicht, über die Leidenschaft, auch die unglückliche, zu reden. "Ach meine Liebe, werft sie mir nicht vor", heißt es fordernd in einem ihrer wenig larmoyanten Texte, die Cora Chilcott mit blitzenden Augen und völlig veränderter Stimme rezitiert.
Und es gelingt dem Duo, trotz so vieler unglücklicher, verschmähter, verlorener Liebe, an diesem Abend jeden Hauch von Kitsch zu vermeiden, eine perfekte Mischung aus Sentimentalität, Unglück und Bodennähe zu finden. ... Die Liebeslieder, die Cora Chilcott mit tiefer Stimme vorträgt - manche sanft, manche kämpferisch. Wie die Liebe - "oder was das war".
Maria-Theresia Wagner - Freies Wort 03/2007
Bewegender Rilke-Abend mit Cora Chilcott und Volker Jaekel
⨯Bewegender Rilke-Abend mit Cora Chilcott und Volker Jaekel
... Wer sich darauf eingelassen hat und die große Analyse-Maschine ausgeschaltet ließ, machte die Erfahrung einer verblüffenden Modernität dieser Texte. Modernität selbst gemessen daran, daß sich Rilke mit den 24 Sonetten der Labé ja Anfang des letzten Jahrhunderts beschäftigte. Rilke als originärer Autor dann präsent mit dem "Liebeslied" ("Wie soll ich meine Seele halten ...") oder "Lieben" ("Das war der Tag der weißen Chrysanthemen") und einigen mehr. All das paßte an diesem Abend zusammen, ist jedenfalls jeder Diskussion wert, als Erlebnis allemal anrührend und bewegend, auch und gerade, weil Cora Chilcott nicht die Empfindsame gibt, sondern Empfindsamkeit darstellt. ...
Fred G. Schütz - Die Rheinpfalz 02/2008